Peter Harry, wir kommen

Gestern Mittag fand vor der Staatskanzlei in Kiel eine weitere Demonstration der Bauern statt. Man wollte sich mit Peter Harry Carstensen unterhalten und die Forderung nach einer verbandsübergreifenden Umfrage bei allen Milchbauern zur gewünschten Wirkrichtung überbringen. 

Aufgerufen hatte der Bund deutscher Milchviehhalter dazu, da der konkurrierende Bauernverband in der Milchpreisdiskussion immer wieder behauptet, er wäre mit seiner betriebsgefährdenden Richtung der führende Meinungsvertreter der Bauern. Und solch ein Verbandszerfleischen ist einerseits unsinnig angesichts der Problematik in der Milchwirtschaft und andererseits auch alles andere als zielführend. Eine von übergreifender Stelle durchgeführte bundesweite Umfrage bei allen Milchviehhaltern und Bauern überhaupt sollte Klarheit über die gewünschte wirtschaftliche Richtung der Unternehmer bringen.

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Nun ja, Peter Harry war dann leider nicht im Hause. Er war in dringenden Angelegenheiten nach Kopenhagen aufgebrochen. Oder aber, nach unbestätigten Meldungen, im Urlaub am Schliersee. Ein Vertreter, im offensichtlich maßgeschneiderten Anzug, hörte sich die Forderungen der Bauern an. Mehr aber auch nicht. Mehr, als das Gehörte an die gewünschten Hörer weiterzuleiten, wollte er nicht. Und konnte er nach eigenen Angaben nicht, da er von Landwirtschaft keine Ahnung habe, so jedenfalls seine Worte. Schon etwas peinlich, denn auch als Lakai hätte er sich selbst in der kurzen Zeit, die wir dort waren, über grundlegende Aspekte der Problematik schlau machen können, um wenigstens ein grobes Statement abgeben zu können. Kann man anscheinend nicht verlangen, so kurz vor einer wichtigen Wahl, und schon gar nicht von der CDU, die sich zu solch einem Thema am liebsten gar nicht äußert, um nicht die meist notorischen CDU-Wahler unter den Bauern zu verärgern. Und das ginge sehr gut, wenn man sich alleine Frau Merkels letzte Rede ins Gedächtnis ruft. Monatelang kein Statement zu den Bauern, und dann kam etwas, das offensichtlich der Bauernverband für sie geschrieben hatte. Die Wortwahl hatte jedenfalls auffällig viele Ähnlichkeiten mit dem, was der Bauernverband äußerte in letzter Zeit. Und damit macht man sich momentan wahrlich keine Freunde unter den Bauern.

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Und so verpuffte die Aktion des Milchverschüttens vor der Staatskanzlei ein wenig. 100 Liter Milch wurden in einem symbolischen Fass in Darstellung des Milchmarktes zum Überlaufen gebracht. Milch im Wert von 18 Euro. Tja, wenn sich melken nicht mehr lohnt, dann kann man die Milch auch mal wegschütten. Je billiger die Milch wird, umso mehr. Der Verlust ist ja nur ein geringer. Und auch die vielen nackten Bäuche der Bauern und Bäuerinnen, mit dem Schriftzug “-5%, also der Aufforderung die letzte Quotenerhöhung zurückzunehmen, führte zu keinen Anzeigen wegen Erregung  öffentlichen Ärgernisses. Bleibt der Bauern Trost, das die verschüttete Milch auf der Rasenfläche vor der Staatskanzlei, aufgrund des tropischen Wetters, wohl schon am selben Abend mächtig sauer gestunken haben wird.

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Bauern sind ja prinzipiell ein friedliches Völkchen. Lässt man ihnen ihre Arbeit, so haben sie meist auch gar keine Zeit, auf dumme Ideen zu kommen. Nach der kurzen Bezeugung des Vertreters, das Gehörte weiterzuleiten, unter Protesten der Bauern und der Aufforderung, Stellung zu beziehen, wurde die Veranstaltung vom BDM für beendet erklärt. Es war getan, wozu man gekommen war. Allerdings ging es dann noch inoffiziell weiter, nach dem die Veranstaltungsleitung das Gelände verlassen hatte. Was hätte man auch tun sollen? Nach Hause fahren und melken? Wo es sich doch überhaupt nicht lohnt? Mit jeder Melkzeit nur weitere Verluste eingefahren werden? Nein, die Bauern hatten keine Lust, wieder an die Arbeit zu gehen. Es war ihnen mehr nach einer kleinen Gartenparty. Und Lagerfeuerromantik, wenn die Realität in den Betrieben schon so wenig romantisch ist.

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Und wenn man schon mal dabei ist, öffentlich Unfug zu treiben, die anwesende Polizei mehr oder minder auf der eigenen Seite steht oder zumindest friedlich bleibt, warum dann nicht auch noch die Straßen sperren? Gesagt, getan. Genügend große Gerätschaften waren vorhanden und der Verkehr rund um den Sitz des Ministerpräsidenten war zum Erliegen gekommen. Mit größten Teils rührendem Verständnis des übrigen Volkes. Bis auf eine abschätzige Bemerkung einer Dame, die vergebens an der gegenüberliegenden Bushaltestelle wartete kam mir jedenfalls nur Zustimmung und Verständnis entgegen. Aber diese eine Gute trollte sich immerhin recht schnell, als man ihr zu denken gab, wie oft alle möglichen anderen Berufsgruppen streiken würden. Auch die Polizei begnügte sich damit, den Verkehr umzuleiten. Und natürlich, die auf den Kreuzungen abgestellten Schlepper per Videokamera festzuhalten. Wohl für eine spätere Strafverfolgung. Sei´s drum. Was hat der Bauer schon zu verlieren? Wenn der Betrieb hoch verschuldet ist, keine Aussicht besteht irgendwann wieder Geld zu verdienen mit seiner Hände Arbeit, dann kann es schnell sein, das die öffentliche Hand in leere Taschen zu greifen versucht.

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Nach dem die Bauern offensichtlich nicht weichen wollten kam der Ministerpräsidentenvertreter ein weiteres mal aus der Staatskanzlei heraus. Entscheidendes ergab das zwar auch nicht, aber immerhin haben “die da” mal gemerkt, das wir auch anders können und nicht so schnell aufgeben. Die Nachricht, das noch etwas gesagt werden solle führte jedenfalls fast zu einer Stürmung der Staatskanzlei. Die Polizei bewachte die Eingangstür allerdings zahlreich. Was eigentlich nicht nötig war, denn Gewalt ist bekanntlich auch keine Lösung. Bei gleichbleibender Kaltschnäuzigkeit und Ignoranz der Volksvertreter bei Folgeveranstaltungen dürfte es aber schwer werden, ein Umdenken der Demonstranten zu verhindern. Das nichts getan wird von politischer Seite ist das eine, das aber nicht einmal von den eigentlich angesprochenen zugehört wird ist etwas ganz anderes. Da verwundert es nicht, das dem einen oder anderen die Wut hoch kommt.

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Und so wurden nach erneuter Abfuhr aus den politischen Reihen die noch verbliebenen Reste Milch entsorgt. Auch so gelingt eine Mengenreduzierung, wenn bei jeder Veranstaltung, bei jeder Demo Milch verschüttet wird. Ein Tropfen auf dem, an diesem Tage wahrlich, heißen Stein. Aber doch ein Zeichen, wenn schon nicht für die Politiker so doch wenigstens für die Passanten.

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Und auch die Verkehrsteilnehmer sind nicht ganz ohne Aufmerksamkeit geblieben. Nicht nur durch unsere Sperrung, sondern auch später, durch den Treckerkorso, der sich quer durch ganz Kiel schlängelte. Immerhin wurden die Verkehrsteilnehmer so vor unangenehmen Briefen aus dem Finanzamt bewahrt. Denn während wir die ehemals von uns gesperrte Straße entlang schlichen bemerkte ich einen, wohl vorsorglich der Freigabe des Straßenzuges, aufgestellten Blitzer. Wenigstens an diesem Tage dürfte die Staatskasse nicht nennenswert bereichert worden sein. Eine Meldung ertönte dann noch im Auto, als ich bereits auf dem Heimweg war. Auf der B202 sollten die Autofahrer bitte vorsichtig sein, es würden brennende Strohballen und Reifen auf der Straße liegen. Ob dort wohl jemand seinen Müll entsorgen wollte, fragte sich der Moderator. Ich war fast versucht im Sender anzurufen und Aufklärung zu leisten. Ein herzliches Dankeschön jedenfalls an denjenigen “Müllentsorger”, das er noch ein ehr- und denkwürdiges Ende der Veranstaltung fand und hoffentlich ungeschoren davon kam.

 

Nachtrag: Ganz ohne Erfolg war  unsere Aktion scheinbar nicht. Immerhin wird es doch noch einen Termin bei Ministerpräsident Carstensen geben. Wir werden sehen, ob er offene Ohren hat und sich nicht von Verbandsstreitereien ablenken lässt.


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