Keine neuen Traktoren

Laut Meldung der WELT vom 14.11.09 verdirbt der niedrige Milchpreis den Traktorenherstellern das Geschäft. 

Bei der Einweihung einer neuen Fertigungshalle der Firma Fendt im bayerischen Marktoberdorf wurde auch der Grundstein für ein zweites Großprojekt gelegt. Doch nun liegen die Pläne auf Eis. Fendt zufolge ist der niedrige Milchpreis Schuld am Abrücken von den Erweiterungsplänen. „Wenn der Milchpreis ständig sinkt, werden die Bauern sehr verunsichert und kaufen keine neuen Traktoren“, erklärte die Geschäftsführung.

 

Der Kollege Matthiesen von agrarheute schrieb zur Agritechnika, dass die Leistungsschau der Landtechnik wieder weltweit den Eindruck vermitteln würde, „dass die Landwirte künftig wieder investitionswillig werden. Vielleicht nicht sofort sondern in absehbarer Zukunft“.

 

Diese beiden Meldungen passen in mehrfacher Hinsicht nicht ganz zusammen.

Denn einerseits: wieso sollten die Bauern nicht sofort investitionswillig sein, wenn doch der Markt künftig kräftig wachsen soll? Bei steigend prognostizierter Weltbevölkerung müsste doch jeder Bauer zusehen, dass er sich vernünftig aufstellt für die wachsende Nachfrage.

Zweitens: wie kommt ein großer Traktorenhersteller auf die Idee, Wachstumspläne der Firma auf Eis zu legen, wenn die Bauern doch künftig kräftig investieren und neue Traktoren kaufen werden? Sollte Fendt tatsächlich freiwillig auf zukünftige Marktanteile verzichten wollen?

 

Oder ist Fendt ein bisschen schlauer und erweitert die Produktion nicht, solange der Markt nicht auch tatsächlich wächst? Dann wären ihre Produkte aber teurer, wenn die Nachfrage wirklich steigen sollte. Dann wäre es genau das Unternehmensziel, die eigenen Produkte teuer zu halten. 

Eine etwas andere Strategie, als sie in der Landwirtschaft üblich ist. Denn dort soll die Produktion ausgeweitet werden, bevor die Nachfrage steigt. Um dann, wenn die Nachfrage wirklich steigt, auch den Markt bedienen zu können. Und möglichst viele Marktanteile zu sichern, die von anderen nicht mehr bedient werden könnten.

 

Aber welche Strategie ist nun sinnvoller? Investitionen zurückhalten, bis ein entsprechender Markt existiert? Oder jetzt investieren, in Zeiten, da kein Geld erwirtschaftet werden kann, um für einen zukünftigen Markt und dessen voraussichtlich steigende Nachfrage gerüstet zu sein und Marktanteile gesichert zu haben?

 

Die Antwort liegt im Grundgerüst der Marktwirtschaft: Angebot und Nachfrage regeln den Preis! 

Fendt hält mit seiner Strategie das Angebot knapp. Und somit teuer. Während die Bauern ihr Angebot ausweiten sollen und damit der Preis niedrig bleibt.

Nun heißt es ja, die deutsche und europäische Landwirtschaft müsse auf dem Weltmarkt agieren. Und dazu müssen die hiesigen Preise natürlich sinken. Andernfalls könne man nichts zu Weltmarktpreisen absetzen. 

Aber auch Fendt ist eine internationale, also auf dem Weltmarkt, agierende Firma. Wieso kann die es sich leisten, die Produktion klein zu halten? Vielleicht, weil auch die anderen Traktorenhersteller ihre Preise hoch halten? Zumindest so hoch, dass sie noch kostendeckend wirtschaften können. Denn sonst wären sie ja schnell pleite und würden nicht mehr existieren. Der Preiskampf unter den Traktorenhersteller bleibt so marktwirtschaftlich oberhalb kostendeckender Preise. Und die Firmen können die Produktion mit weniger Arbeit und Aufwand gewinnbringend fahren. 

In der Landwirtschaft soll aber nun zu Weltmarktpreisen produziert werden, unabhängig von höheren Auflagen in der Produktion und höheren Kosten in Deutschland. Und die Produktion soll jetzt schon ausgeweitet werden für einen zukünftigen Markt. Dadurch sinken die Preise noch weiter bzw. bleiben auf einem Niveau, dass nicht zur Kostendeckung reicht. Um kostendeckend UND zu Weltmarktpreisen produzieren zu können, müssten Auflagen und Kosten gesenkt werden. Das aber ist sehr unwahrscheinlich. Gerade in Anbetracht unserer verwöhnten Kunden. 

 

Ist die Strategie in der Landwirtschaft, so wie sie aktuell von Politik und Bauernverband propagiert wird, die richtige? Denn die Landtechnik macht es doch anders und verdient ihr Geld dabei. Und wenn die Landtechnik schon ihre Produktion hemmt oder wenigstens nicht ausweitet, schließlich lebt sie von der Landwirtschaft und den Bauern, ist dies nicht ein Zeichen dafür, dass die Landwirtschaft selber und insgesamt kein lohnendes Geschäft offenbart unter den aktuellen Marktbegebenheiten?

 

Bedenken sollte man auch, dass aktuell keine Landwirtschaft egal in welchem Land kostendeckend produzieren kann. Jedenfalls bei Milch ist es so. Also ist der Weltmarktpreis zu niedrig. Doch wie kommt es dazu?

Auch hier gibt die Marktregel Nummer eins die Antwort: Angebot und Nachfrage. Ist die Nachfrage gering, also im Umkehrschluss das Angebot reichlich, muss der Preis sinken! Und damit jemand bei reichlichem Angebot noch etwas absetzen kann, muss er den Mitbewerber im Preis unterbieten. Da sich aber kaum jemand Marktanteile wegnehmen lassen möchte, machen es alle so. Und genau so sinkt der Weltmarktpreis insgesamt. Bis der Preis unter die Schwelle der Kostendeckung fällt. Die Produktion wächst, um durch Massenproduktion die Herstellungskosten senken zu können. Was aber nur bis zu einem gewissen Punkt klappt. Dann neigen einige Länder dazu, die Produktion durch Steuergelder aufrecht zu erhalten, damit ja keine Marktanteile verloren werden. Da der heimische Markt durch die steigende Produktion zur Kostenminimierung gedeckt ist, bleibt nur noch der Weg, auf dem internationalen Markt etwas loszuwerden. Dort agieren aber schon genügend andere, die noch etwas billiger produzieren können. Also muss der Staat eben mit Steuergeldern in Form von beispielsweise Exportsubventionen die Ware noch günstiger machen, um der Konkurrenz Paroli bieten zu können. Und so sinkt der Weltmarktpreis noch weiter. Ein Teufelskreis tut sich auf. Alle Marktbeteiligten können sich nur noch aufgrund des Überangebots im Preis unterbieten. 

 

Gibt es ein Entrinnen? Vielleicht. Was den Preis senkt ist das Überangebot. Dieses muss bekämpft werden, soll der Preis für die Ware wieder steigen. Und zwar mindestens soweit, das international der günstigste Anbieter wieder kostendeckend wirtschaften kann. Und wie weiter? Schließlich möchte man ja auch in Deutschland vernünftig wirtschaften können. Dazu bleibt nur eine gewisse Form eines Aussenschutzes. Zum Beispiel in Form von hiesigen Qualitätsmerkmalen, unterhalb derer nichts den heimischen Markt überschwemmen darf. Unser Kunde ist ja einiges gewohnt, was Produktqualität und Produktionsauflagen in Natur- und Tierschutz angeht. Dafür müsste er bereit sein, entsprechend höhere Preise zu zahlen. So kann sich die hiesige Landwirtschaft auf den innereuropäischen Markt begrenzen, wie es bereits der EU-Rechnungshof in einem Sonderbericht angemahnt hatte. So würde durch einen höheren deutschen und europäischen Preis auch der Weltmarktpreis steigen, was andere Länder auch schon zu einer kostendeckenden Produktion verhelfen könnte. Auch diese wären dann nicht unbedingt darauf angewiesen, ihre Ware international los zu werden und könnten sich ebenso auf ihre eigenen Märkte konzentrieren. Und so entstünden auch in Schwellenländern eigene Märkte mit eigener Produktion, was zu weniger Entwicklungshilfe führen würde. Auch letzteres wäre ein Einsparpotential für die Steuerzahler und Kunden in den Industrieländern.

 

Sollte es keinen Aussenschutz geben und wären die Kunden nicht bereit mehr zu zahlen, so würde die heimische Landwirtschaft aufhören zu existieren. Denn ausländische Produkte wären günstiger und nachgefragter. Aber auch das wäre Marktwirtschaft. Keine Marktwirtschaft dagegen wäre eine stark subventionierte Produktion, von der immer noch niemand leben kann. Auch der Verbraucher, der sich über günstige Preise freut, zahlt eigentlich viel mehr, da er auch Steuerzahler ist und diese Subventionen mit trägt. Dazu kommen dann auch die Kosten für Entwicklungshilfe, die nicht einmal richtig funktionieren kann. Denn was wir mit unseren Geldern als Entwicklungshilfe in Schwellenländern aufbauen, machen wir mit ebenso unseren Geldern in Form von Exportsubventionen wieder kaputt. So wurde in Afrika bereits eine Molkerei erst aufgebaut und dann wieder geschlossen, weil die dort zu fördernde Milchproduktion durch mit Exporthilfen verbilligte europäische Milch zerstört wurde. Solche Stilblüten treibt es international, wenn der Markt nicht funktioniert. Und der Markt kann nicht funktionieren, wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt.

 

Mir persönlich wäre die Strategie der Traktorenhersteller, und vieler vieler anderen Branchen, sehr viel logischer. Produktion nur ausweiten, wenn auch ein Markt besteht. Wenn der Kunde die hiesigen teureren, für den Erzeuger mindestens kostendeckenden, Produkte nicht kauft, so ist eine Produktion so eben nicht marktwirtschaftlich sinnvoll.

 

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